Dienstag, 23. April 2013

Es kreucht und fleucht, der Frühling ist da



Ein Landleben ohne Tiere ist undenkbar. Im Teich neben der Terrasse laicht eine Kröte und umgarnt kunstvoll Steine mit ihren Perlenschnüren. Molche machen sich den Hof. In meiner Küche schwärmen Ameisen aus. Der Frühling ist da.
Mein Verhältnis zu Tieren ist nicht pragmatisch genug fürs Land. Die einzigen Insekten, die ich ohne Skrupel umbringe, sind Schnaken (in Berlin: Mücken), weniger weil sie mich stechen (das tun sie selten), sondern weil ihr Sirren mich um den Schlaf bringt. Mücken (In Berlin: Fliegen) würde ich umbringen, wenn sie mich nicht so ekeln würden. Das gleiche gilt für Kakerlaken (in diesen Breitengraden unbedeutend) und Zecken, wobei ich bei letzteren meinen Ekel überwinde (denn sie haben ein Faible für mich).  Spinnen toleriere ich, solange sie meinem Bett fern bleiben, meist befördere ich sie in einem eigens dafür reservierten Spinnenglas nach draußen. Zu den Kreuzspinnen im Rosmarin vor meinem Fenster in Berlin hege ich gar freundschaftliche Gefühle. Hier in Hausach hatte ich nun Gelegenheit, mein Verhältnis zu Ameisen zu klären. Schon als Kind fand ich sie faszinierend, fütterte sie mit Zucker und beobachtete, wie sie die kopfgroßen Körnchen in ihren Bau schleppten. Auch jetzt beobachtete ich zunächst nur, ich bin für friedliche Koexistenz, die Viecher können ja nichts dafür, dass meine Wohnstätte im Weg steht. Ja, die Städter, die hän ä Sparre, werden die Hausacher denken, und sie haben Recht. Als klar wurde, dass die Ameisen sich von meinem guten Zureden nicht beirren ließen und ich Herd und Spüle nicht zur Seite rücken konnte, um der Quelle dahinter auf den Grund zu gehen, kaufte ich Gift. Ich konnte kaum hinschauen, mit welcher Freude und Hingabe sich die Tierchen an dem blauen Saft labten. Nein, rief ich ihnen zu, tut es nicht! Aber, wie gesagt, mein Reden erreichte sie nicht. Die hät aber echt voll ä Sparre, werden die Hausacher denken, und sie haben Recht. Auf einer Wanderung am Sonntag konnte ich es nicht lassen und streichelte einen jungen Kater, der uns hinterhergelaufen kam. Prompt konnte der es nicht mehr lassen und folgte uns auf Schritt und Tritt weit über sein Revier hinaus. Wir mussten auf dem Rückweg einen Umweg wandern und ihn zuhause abliefern, da ich kaum davon ausgehen konnte, dass ein Stadtschreiberkater auf große Gegenliebe gestoßen wäre. Ja, Großstädter spinnen, Schafe aber auch.  Auf besagter Wanderung sahen wir eine Herde Schafe friedlich grasen, zehn, fünfzehn Tiere. Auf dem Rückweg (wir mussten ja den Kater zurückbringen) hatten sie sich an einem Wegrand zusammengerottet, als würden sie dem Wolf trotzen. Vielleicht meinten sie auch uns, jedenfalls blickten sie finster in unsere Richtung. Und dann, ich konnte, es kaum glauben, rannten sie los. Haben sie schon einmal eine Schafsherde im Galopp einen ziemlich steilen Hang herunterrennen sehen? Ja, hän die ä Sparre? Wahrscheinlich ist ihnen der Frühling in den Kopf gestiegen. Mir auch. Und deshalb hocke ich jetzt am Teich, lauere Lurchen auf und denke über ein Krötenrettbrett nach. Denn wie sollen die Viecher wieder aus dem Teich kommen nach der Paarungszeit? Und die Kaulquappen, später? Ist ja nur Steilwand rundum. Und das Pflanzenzeugs, das hineinhing, ist weg. Ich hoffe, der Frühling treibt mir nicht weiteres Getier vor die Tür. Sonst werd ich wirklich noch verrückt an den Viechern.
(Erschienen im Offenburger Tagblatt am 19.4.2013)

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2 Kommentare:

  1. Das hätten die Wewelsflether Schafe nie gemacht! Aggressive Bestien habts ihr da unten! Wie wärs übrigens mit einem Schafsführer der Literaturstipendiaten? "Regionale Eigenheiten des Schafswesens in literarischen Förderräumen?" (Übrigens schlage ich dir jetzt seit Jahren gemeinsame Projekte vor, die allesamt enormes Potential haben, aber du gehst nie darauf ein! Was ist mit der Heftchenreihe "Dillinger- die Lesbe aus dem Schwarzwald"? Was mit "Wewelsfleth- eine Demenznovelle"? Aber ich gebe nicht auf...

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  2. Klar, die Wewelsflether Schafe hatten auch nur einen kleinen Deich zum Runterhoppeln. Hier haben wir es mit echten Hängen zu tun! Ich denke, für den ersten Titel könnten wir Fördermittel (aus den Förderräumen) beantragen. Wenn wir sparsam sind, reicht es für die Heftschenreihe auch noch, 1. Dillinger, 2. Demenznovelle, für die 3. Folge wärst du jetzt dran, irgendwas mit "D" aus Berlin. "Drang und Sturm im Berliner Senat"?

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