Dienstag, 12. Juni 2012

Zwei in einem


1) Auf der Zuschauertribüne des EM-Spieles, das ich mir im Fernsehen anschaute, saß einer: Eine Mischung aus Batman und Bankräuber mit Strumpf überm Kopf, ich erschrak und erinnerte mich daran, dass ich vor ein paar Monaten auf der Torstraße schon einmal so ein Wesen von weitem erblickt hatte. Außerirdische auf dem Vormarsch? Nein, second skin, zweite Haut oder auch Ganzkörperanzug nennt sich diese Mode – mir sträuben sich die Nackenhaare bei der Vorstellung, mir könnte Abends auf der Straße jemand in diesem Aufzug begegnen oder er/sie säße in der Kneipe mit mir an einem Tisch … Masken haben mit Uniformen gemeinsam, dass sie Verantwortungsgefühl fürs eigene Handeln in sich aufsaugen wie ein schwarzes Loch. Deshalb mag ich weder die einen noch die anderen.
Im Netz fand ich jede Menge Werbung, doch keine Informationen zu diesem Phänomen. Woher? Wie lange schon? Und vor allem: Warum? Während auf Facebook noch die belanglosesten, intimen Details aus dem Leben preisgegeben werden, geht man von nun an anonym in die Kneipe. Der Ort, an dem man ein Bild von sich für die Außenwelt schafft, wandert von draußen nach drinnen, vom öffentlichen in einen privaten Raum, der so tut, als sei er öffentlich ...

2) Apropos „So-tun-als-ob“: facebook ändert seine Nutzungsbedingungen, weil sich nicht genügend Nutzer an einer Abstimmung diesbezüglich beteiligt haben. Ich höre heute zum ersten Mal von dieser Abstimmung, dabei gehe ich mehrmals die Woche auf facebook. Und hätte ich davon erfahren: Ich hätte nicht abgestimmt. Seit wann ist facebook eine Genossenschaft, seit wann funktionieren privat geführte Unternehmen demokratisch? Können wir das bitte fein säuberlich trennen (und genau: auch keine Public Private Partnership)? Sonst kommt man am Ende noch auf die Idee, den Umkehrschluss zu ziehen: Öffentliche Institutionen und Staaten wie Privatunternehmen führen zu wollen. Was „am Ende“ (hoffentlich nicht Europas) bekanntlich längst geschieht. Die Austeritätspakete sind riesige Schaufelmaschinen von öffentlichem Gut in private Hände,  „Experten“ kommen ohne gewählt zu werden an die Regierung. Was willst du werden, wenn du groß bist? Expertin. Die Demokratie wandert … nicht von draußen nach drinnen, sondern aus, und auf ihren sowieso schon wackeligen Stuhl setzt sich Deus Oeconomicus mit seinem Talent zur Mimesis: Abstimmungen, neue Redefreiheit, BürgerNutzernähe …

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